Für die Mitglieder von Genossenschaften stellt sich, wie bei anderen Gesellschaftsformen auch, immer wieder die Frage, zu welchen Bedingungen die Mitgliedschaft beendet werden kann. Besonders problematisch wird es, wenn zwischen der Kündigung und dem endgültigen Austritt aus der Genossenschaft eine neue Satzung in Kraft getreten ist. In solchen Fällen ist fraglich, ob der Austritt nach der gültigen Satzung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, des Zugangs der Kündigung bei der Genossenschaft oder im Zeitpunkt des endgültigen Austritts aus der Genossenschaft gültigen Satzung abgewickelt wird.
Bislang ist die Frage von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ausdrücklich geklärt. Am 17. November 2017, hat das Landgericht Stuttgart in dem Verfahren zum Az. 20 O 406/16 durch ein aktuelles Urteil zur Klärung der Frage beigetragen.
In dem dortigen Fall klagte ein ausgeschiedenes Mitglied, auf Auszahlung des mitgeteilten Auseinandersetzungsguthabens. Der Kläger kündigte im Jahr 2013 seine Mitgliedschaft, welche von der Beklagten zum 31. Dezember 2014 bestätigt wurde.
Im Jahr 2014 fand jedoch eine Mitgliederversammlung der Genossenschaft statt, auf welcher die Satzung der Beklagten Genossenschaft in wesentlichen Punkten geändert wurde. U.a. wurde die Regelung über ein Mindestkapital eingeführt, welches vorhanden sein muss, um überhaupt Auszahlungen auf fällige Auseinandersetzungsguthaben zu gewähren. Danach konnten, wenn das freie Kapital nicht zur vollständigen Auszahlung ausreicht, auch Raten gezahlt werden.
Im Jahr 2016 bekam der Kläger das Auseinandersetzungsguthaben mitgeteilt, welches u.a. in Raten gemäß der geänderten Satzung von 2014 ausgezahlt werden sollte.
Daraufhin beantragte der Kläger in dem vorgenannten Gerichtsverfahren die sofortige Auszahlung des ihm zustehenden Auseinandersetzungsguthabens von der Genossenschaft in voller Höhe, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit der Fälligkeit.
Nach der Auffassung des Klägers war diejenige Satzung anwendbar, welche zum Zeitpunkt der Kündigung galt, nicht jedoch die danach erfolgten Änderungen.
Diese Auffassung teilte auch das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 17. November 2017, welche unter Bezugnahme auf ein ähnliches Urteil vom 10. März 2017 darauf abstellt, dass bei Satzungsänderungen, welche nachteilig für die Mitglieder sind, der Zugang der Kündigung maßgeblich dafür ist, nach welcher Satzung die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens zu erfolgen hat (so auch schon LG Stuttgart, Urteil vom 10. März 2017, 18 O 244/16).
Das Urteil entspricht im Ergebnis der bisherigen, teils schon lange zurückliegenden obergerichtlichen Rechtsprechung, vgl. Kammergericht, Entscheidung vom 27. November 1914, RJA 14, 160; Oberlandesgericht München, Urteil vom 22. September 1995, 8 U 2261/95
Entscheidend kommt es nach dieser Rechtsprechung auf das schützenswerte Vertrauen des kündigenden Mitglieds an, welches erwarten darf, dass die Abwicklung nach denjenigen Regeln erfolgt, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung galten. Dem ist zuzustimmen.
Satzungsänderungen, welche nach erfolgter Kündigung in Kraft getreten sind dürfen somit aus Gründen des Vertrauensschutzes zur Abwicklung der Kündigung nicht herangezogen werden.